Valerie (sie/ihr)
TW: transphobe Gewalt
Wir begehen dieses Jahr jetzt schon zum wiederholten Male den heutigen Tag unter dem Motto Trans day of rememberance…..of resistance…. of rage…..of revenge….
4 Schlagworte. Auf den ersten Blick erscheint auch völlig klar, wofür sie stehen.
Aber wie bei so vielen Wörtern lohnt es sich, ein bisschen genauer hinzuschauen. Denn dann zeigt sich oft, dass wir dann oft doch ganz unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was bestimmte Worte in einem bestimmten Kontext bedeuten.
Ich darf und möchte heute darüber sprechen, was diese vier Begriffe im Zusammenhang mit dem heutigen Tag für mich ganz persönlich bedeuten.
Zunächst Rememberance – Erinnerung:
Für mich und vermutlich viele von euch der Hauptzweck des heutigen Tags. Ich möchte mich erinnern. Ich möchte Gedenken. Ich möchte aber auch möglichst viele andere Menschen aktiv an etwas erinnern. Daran, wie viele trans Personen auch dieses Jahr wieder Opfer von Gewalt geworden sind. Wie viele körperliche Gewalt erfahren haben. Wie viele ihr Leben verloren haben. Aber auch an diejenigen, die Opfer von psychischer Gewalt geworden sind. Auch diese Menschen tragen oft Narben davon, an ihrer Seele. Und auch all diejenigen, die vielleicht noch nicht direkt Gewalt erfahren haben, aber wegen Hass und Ablehnung oder sonstiger Umstände nach wie nicht die Möglichkeit haben, frei und selbstbestimmt als ihr wahres Selbst zu Leben. Weil sie vielleicht in einem Land leben, wo nach wie vor Verfolgung droht. Oder weil sie in einem Umfeld leben, dass ihnen ein coming out verunmöglicht. Auch sie will ich nicht vergessen, auch an sie will ich mich und möglichst viele andere Menschen erinnern. Keine Person soll vergessen sein. Weder heute, noch an irgendeinem Tag. Ich möchte allen gedenken. Allen, die wir nicht schützen konnten. Und allen, die wir noch schützen können.
Resistance – Widerstand:
Ein klares Wort. Und ja, ich will Widerstand leisten. Gegen Gewalt an trans* und nichtbinären Menschen. Gegen Vorurteile. Gegen gesellschaftliche Entwicklungen, die in die falsche Richtung gehen, und die Faschismus und Ausgrenzung wieder salonfähig machen wollen. Die die hart erkämpften Rechte von trans* und nichtbinären Personen wieder wegnehmen wollen. Gegen die Radikalisierung und Spaltung der Gesellschaft und gegen Stimmenfang auf Kosten von marginalisierten Minderheiten. Diese Dinge kann und will ich nicht hinnehmen und werde so gut ich kann Widerstand leisten.
Resistance bedeutet für mich aber auch Widerstandsfähigkeit. Ich wünsche all denjenigen Personen von uns, die gerade kämpfen, mit der Gesellschaft, mit Diskriminierung, mit Gewalterfahrungen, mit psychischen Problemen, ich wünsche all ihnen die Widerstandsfähigkeit, mit all dem Mist, den das Leben ihnen vor die Füße wirft, umgehen zu können, stark zu bleiben, nicht aufzugeben, und letztendlich ihr Ziel zu erreichen. Glücklich, frei und selbstbestimmt, und ohne von Diskriminierung oder Gewalt betroffen zu sein, leben zu können.
Rage – Wut:
Ja, ich bin wütend. Über viele Dinge. All die Missstände, die ich gerade schon angesprochen habe, all der Hass, die Gewalt, die Ungerechtigkeiten, all das macht mich – so wie vermutlich viele von euch auch – wütend. Verdammt wütend sogar. Und diese Wut lässt manchmal mein Blut kochen. Will mich irgendwas tun lassen. Irgendwas, um nicht dieses Gefühl der Verzweiflung und der Machtlosigkeit zu fühlen, wenn ich wieder von Ungerechtigkeiten oder Gewalt höre. Und dann stelle ich mir die Frage: Was kann ich tun? Ich gebe zu, manchmal fühle ich dann auch den Impuls, gleiches mit gleichem zu vergelten. Die Täter ihre eigenen Waffen spüren lassen. Ihnen ebenfalls mit Hass und notfalls Gewalt zu begegnen. Aber ich werde diesem Impuls niemals nachgeben. Ich bin der tiefen und festen Überzeugung, dass Gewalt noch nie in der Geschichte etwas positives bewirkt hat, auch wenn sie aus guter Intention heraus als Reaktion auf Ungerechtigkeiten erfolgt, sondern immer nur zu noch mehr Leid und Hass, und noch mehr Gewalt führt. Und im Endeffekt nur denjenigen Menschen nützt, die von Hass und Gewalt leben und davon profitieren. Deshalb bin und bleibe ich Pazifistin, und ich sage aus tiefster Überzeugung, ich will meine Wut sinnvoll einsetzen. Ich will aus ihr die Motivation und Energie beziehen, auf die meiner Überzeugung nach richtige Weise gegen Gewalt und Diskriminierung zu kämpfen. Mit Aktivismus, friedlichem Widerstand, Aufklärung und Sichtbarkeit. Ich bin der tiefen Überzeugung, dass Liebe, Frieden und Gerechtigkeit letztendlich über Hass, Gewalt und Unrecht siegen werden, auch wenn es manchmal – so wie vielleicht jetzt gerade – nicht so aussieht.
Und als letztes Schlagwort bleibt noch revenge – Rache:
Eigentlich gibt es dazu gar nicht mehr viel zu sagen. Ich habe es schon angesprochen, aus der Wut heraus folgt oft der Impuls, sich rächen zu wollen. Peinigern das Leid anzutun, dass sie ihren Opfern angetan haben. Und so verständlich dieser Wunsch auch ist, ich bleibe dabei, dass das niemandem hilft und nichts besser macht. Also wie kann eine sinnvolle Rache aussehen? Einerseits natürlich, indem wir nicht wegschauen, wenn wir Unrecht wahrnehmen. Wenn wir nach Möglichkeit dafür sorgen, dass Täter zur Verantwortung gezogen werden. Aber mir ist völlig klar, dass das nicht reicht und allzu oft leider gar nicht möglich ist. Ich bin aber der Meinung, sinnvolle Rache kann auch durch Lebensfreude entstehen. All die Menschen, die Hass verbreiten und uns leiden sehen wollen; sie wollen, dass es uns schlecht geht, wollen uns unsichtbar machen. Also ist die beste Rache, zu zeigen, dass ihnen das niemals gelingen wird. Dass wir immer schon hier waren. Dass wir uns nicht vertreiben lassen. Dass wir weiterhin sichtbar sein werden und für unsere Rechte einstehen. Und dass wir letztendlich gewinnen werden und Hass und Diskriminierung irgendwann keinen Platz mehr in der Gesellschaft haben. Daran glaube ich ganz fest.
Êvar (?) Têkoşin
TW: Krieg
Liebe Leute,
heute sind wir zusammengekommen, um weltweit der Opfer*innen von Hass und Gewalt gegen trans* Persönlichkeiten zu gedenken, ihr Andenken zu ehren und ihnen Respekt zu zollen. Leider stehen trans* Persönlichkeiten weltweit noch immer Vorurteilen, Diskriminierung und Gewalt gegenüber. Auch in Europa, insbesondere in Österreich, kämpfen trans* Menschen weiterhin mit gesellschaftlichen und institutionellen Barrieren, trotz einer vermeintlichen Freiheit. Besonders trans* Migrant*innen und Geflüchtete spüren diese Hindernisse noch intensiver.
Als trans* Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Ländern und Kulturen erleben wir vielfältige Herausforderungen gleichzeitig, da wir sowohl trans* als auch migrantisch sind. Hier leben wir ohne das Recht, zu wählen, oder gewählt zu werden. Es fällt uns schwer, sichere Räume für uns selbst zu finden. Wir kämpfen gegen Armut und sind gezwungen, uns ständig vor sexueller Belästigung und körperlicher Gewalt zu schützen. Tagtäglich begegnen wir institutioneller Transfeindlichkeit und institutionellem Rassismus. Daher senden wir unsere Grüße an alle Freund*innen, die heute nicht bei uns sein können, und ehren mit Respekt alle trans* Menschen, die Opfer*innen von Hass wurden.
Als Tekoşin gedenken wir heute liebevoll an Hande Öncü und die strahlende, fröhliche Jelena aus unserer Community. Wir setzen uns dafür ein, sichere Räume zu schaffen, in denen trans* Persönlichkeiten sich frei ausdrücken und sicher leben können. Wir sind eine starke Gemeinschaft und laden euch ein, unserer Instagram-Seite zu folgen und an unseren regelmäßigen Veranstaltungen teilzunehmen. Viele von uns haben ihre Familien, ihre Heimat und ihre Freund*innen verlassen und sind nach Österreich gekommen, um hier ein neues Leben aufzubauen. Jetzt wollen wir hier unsere Identität frei leben und ein neues Leben gestalten.
Unsere Forderung an die österreichische Mehrheitsgesellschaft ist, die Transfeindlichkeit zu beenden und uns zu unterstützen. Wir fordern positive Maßnahmen zur Gleichstellung in allen Bereichen und die Unterstützung antirassistischer Politiken. Wir wollen keine Opfer*innen einer transfeindlichen Gesellschaft sein, sondern bewusste Held*innen, die ihr eigenes Leben gestalten. Wir werden nicht verlieren, sondern gewinnen. Jin, Jiyan, Azadi!
Denn wir brauchen vor allem Freiheit und wollen entschlossen gegen Homophobie und Transphobie kämpfen. Wir müssen den Kampfgeist in uns spüren, diesen Gedenktag für uns beanspruchen und einander unterstützen. Wir kämpfen für ein Leben in Würde und Respekt. Unser Widerstand ist kein gewaltsamer gegen andere Menschen, sondern ein Widerstand, in dem wir einfach wir selbst sind – ohne Angst und ohne Scham. Ein Widerstand, in dem wir unsere Träume verfolgen, uns verwirklichen und unser Glück finden, ohne uns herabsetzen zu lassen. Wir wünschen euch allen einen bedeutsamen Gedenktag und glauben daran, dass wir gemeinsam gegen jede Form von Unterdrückung und Diskriminierung kämpfen werden. Bleibt, wie ihr seid. Ihr seid wunderschön! Es lebe die LGBTİQ+ Community!
Heute gibt es weltweit viele Kriege, Städte werden bombardiert. Unter den Opfer*innen dieser Bombenangriffe sind auch zahlreiche LGBTİQ+ Persönlichkeiten. Die Kriege der Staaten und des patriarchalen Systems sind nicht unsere Kriege. Über unsere eigene Unterdrückung hinaus verkünden wir hier aus Wien unsere Solidarität mit allen unterdrückten Gemeinschaften und Völkern. Es ist uns eine Ehre, den Namen „Tekoşin“ zu tragen, was auf Kurdisch „Ankämpfen“ bedeutet. Mit diesem Namen tragen wir den kämpferischen Geist, den wir in der Geschichte von den mutigen Sara, Zilan, Sakine und vielen kurdischen Kämpfer*innen geerbt haben, in unseren heutigen Kampf. Diesen Widerstand widmen wir den Kämpfer*innen in Rojava. Ihr Kampf ist unser Kampf, und wir versprechen, weiterhin auf den Straßen für eine freie Zukunft zu kämpfen. Es lebe LGBTİQ+, Jin, Jiyan, Azadi!
Als Tekoşin-Community bestehen wir hauptsächlich aus trans* Persönlichkeiten. Gemeinsam werden wir stärker und schaffen eine schönere Welt.
Rhonda (sie/ihr, per/pers) Venib
TW: Transfeindlichkeit & Erwähnung von ermordeten trans Personen
Ich bin wütend. Ich bin es immer noch. Vor zwei Jahren stand ich hier und hab meinem Unmut Platz verschafft. Darüber, dass der öffentliche Diskurs, ob wir existieren dürfen oder nicht, von Medien gestärkt geführt wird auf eine Art und Weise, die ihresgleichen sucht.
Unsere Existenz und Daseinsberechtigung steht verstärkt zur Debatte. Und selbst als linksliberal verstandene Journalisten kommen ihre Sorgfaltspflicht nicht nach und bezeichnen leicht nachzuprüfende trans hetzende Artikel als “sehr lesenswert”. Selbst queere Organisationen teilen diesen Artikel als “kleine Einstimmung” für einen Abend mit der Autorin. Und kein Mensch hat es offenbar gelesen oder nachgeprüft, ob die zentral aufgestellte Behauptung in dem Artikel überhaupt der Realität entsprechen oder nur ein Bauchgefühl sind. Dabei war nur ein kurzer Blick auf die Website auf die sich bezogen wurde notwendig, um den zentralen Aufhängungspunkt als Panikmache ohne Basis erkennen zu können. Das Wort Frau verschwindet nicht. Immer noch nicht. Wird es auch nicht. Trans Frauen sind Frauen.
Karl Nehammer hat in seinem Österreichplan ganz stark gegen trans Personen gehetzt – und die ÖVP tut das immer noch. Bei der Umsetzung des Bundes-Gleichbehandlungsgesetz haben sie ein Urteil vom Verfassungsgerichtshof von 2018 umgesetzt, aber am selben Tag noch Presseaussendungen gemacht, dass sie dieses wieder zurück nehmen wollen. Sie wollen aktiv weiter darauf bestehen, inter* und nicht-binäre Personen sprachlich unsichtbar zu machen und damit zu diskriminieren.
Dass all diese Dinge nicht in einem Vakuum statt finden, sollte klar sein. Solche Ausbrüche und Talking-Points haben System und beeinflussen die Gesellschaft. Ich bin für meine Existenz und Optik in den letzten Wochen und Monaten verstärkt in öffentlichen Verkehrsmittel und auf der Straße mit “freundlichen” Kommentaren angefeindet worden – ohne, dass sich umstehende Personen dazu geäußert hätten. Und wenn wir uns an Olympia zurück erinnern, wo der Diskurs plötzlich so extrem inter* und trans-feindlich passiert ist, wundert es nicht, dass die Zahl der ermordeten trans Personen heuer auch wieder erschreckend hoch ist. Ich zähle in Gedanken auch ganz konkret jene Personen hinzu, die in den Suizid getrieben wurden, weil sie genauso Opfer transfeindlicher Gewalt geworden sind.
Wir leben hier in Österreich halbwegs sicher. Das ist mit der Grund, warum wir auf die Straße gehen können. Das ist leider nicht überall so. In Brasilien gab es mehr als ein viertel der ermordeten trans Personen. Aber wir müssen garnicht so weit schauen – auch Frankreich und Italien scheint in der Statistik auf und bietet mit der jeweiligen Regierung einen guten Nährboden. Und bei der Rhetorik, mit der die beiden großen blauen Parteien um sich werfen, wird es hier auch schwieriger. Neun Jahre ist es nun her, dass Hande, eine trans Frau, hier in Wien ermordet wurde.
All dies macht mich und lässt mich wütend bleiben. Und ich verstehe Personen, die sich deswegen zurück ziehen, nicht out sein können und daher mit einer enormen internen Belastung wegen der unmenschlichen äußeren zu kämpfen haben. Deswegen ist es umso wichtiger für jene, die es schaffen, sichtbar zu sein – und es zu bleiben. Und an all jene, die von Transfeindlichkeit nicht betroffen sind: Schreitet ein, wenn ihr diese bemerkt. Lasst euer trans, inter* und nicht-binäres Umfeld nicht damit alleine. Insbesondere auch dann, wenn keines von uns anwesend ist. Bleibt im Austausch, und an Tagen wie diesem, schaut dass es euren Friends gut geht.
Be careful with each other so we can be dangerous together!
Georgy (they/them) Cha(i)nge
TW: Transphobie, Auslöschung von Transidentität, Gewalt
Heute sind wir hier versammelt, um unsere trans und nichtbinären Geschwister zu betrauern. Diejenigen, von denen wir wissen, und diejenigen, die nie in einer Statistik auftauchen werden, aber dennoch nicht mehr unter uns sind, weil sie aus Hass und Unwissenheit, wegen fehlender Ressourcen und Vorbilder, wegen schädlicher Umgebungen und mangelnder Unterstützung getötet wurden.
Jedes Jahr versammeln wir uns an diesem Tag und hoffen, dass wir eines Tages nicht mehr trauern müssen. Doch die Zahl unserer Toten steigt jedes Jahr weiter an.
Es ist eine schwierige Zeit, trans und nichtbinär zu sein. Wir sind sichtbarer, wir erhalten Zugang und gesetzliche Rechte und Repräsentation, aber wir sind auch verletzlicher. Unsere Rechte und unsere bloße Existenz werden als Themen abgestempelt und auf Diskussionspunkte reduziert. Wir werden von Politiker_innen, in den Medien und auf der Straße angegriffen. Wir brauchen eine starke Gemeinschaft, die zusammenhält, damit wir uns gegenseitig schützen können. Doch anstatt gemeinsam und füreinander zu kämpfen, bekämpfen wir uns gegenseitig. Wir streiten über Sprache und Repräsentation und Palästina. Wir beäugen uns gegenseitig, wir streiten, dann hören wir auf zu reden und verklagen uns gegenseitig. Und wofür? Wem nützt das?
Es nützt den Nehammers und Kickls, den Melonis und Orbans auf der ganzen Welt. Denjenigen, die uns tot sehen wollen. Die wollen, dass wir uns wieder verstecken. Die glauben, dass wir nie existiert haben, dass wir nicht existieren sollten. Die denken, dass wir nichts weiter als ein aktuelles Thema, eine Fantasie sind.
Aber sie liegen falsch. Wir sind Menschen. Wir waren schon immer hier und wir wissen, wie es ist, zu überleben. Wir verdienen es zu existieren, und nicht nur zu existieren, sondern zu leben und glücklich zu sein. Zusammen, als Community. Wir müssen unsere Energie in den Aufbau dieser Community stecken, in die Förderung von Räumen und Kommunikation, in das gemeinsame Lernen und Wachsen. In das Zuhören und gegenseitige Verständnis und das gemeinsame Vorankommen. Damit wir sagen können: „Mein Geschwister, ich bin für dich da. Lass uns diesen Weg gemeinsam gehen.“ Damit wir unserer Toten gedenken und für die Lebenden kämpfen können. Damit wir alle ein Leben haben können. Eine Zukunft. Zufriedenheit.
Danke.
Sofia (sie/ihr) Queerbase
TW: Polizeigewalt
Hallo, guten Tag. Mein Name ist Sofía Florez, und meine Kollegin heißt Samantha Montoya. Wir kommen beide aus Kolumbien, und heute möchten wir euch von unseren Erfahrungen als Geflüchtete trans Frauen in Österreich erzählen – ein Prozess voller Herausforderungen, aber auch voller Überwindungen.
Vor fünf Monaten haben wir gemeinsam unseren Asylantrag gestellt. Im Großen und Ganzen können wir sagen, dass unsere Erfahrung positiv war, da wir Unterstützung von der Regierung und von verschiedenen Organisationen, die uns bedingungslos ihre Türen geöffnet haben, erhalten haben.
Aber es gibt auch einige Aspekte, die sehr frustrierend sind. Zum Beispiel, dass wir kein Recht auf einen würdevollen Job haben.
Es ist uns wichtig zu betonen, dass wir als trans Frauen mit vielen Unsicherheiten leben, da wir als trans Frauen einen fortwährend Kampf und Dsyphorie in unseren Körpern erleben. Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie schwierig es für uns ist, Zugang zu Hormonen zu bekommen, die uns in unserem Prozess der Feminisierung und bei der Reduktion der Körperbehaarung unterstützen. Die Wartezeiten für Termine bei einem Endokrinologen, der unsere Hormontherapie begleiten kann, sind extrem lange. Auch der Prozess, eine schriftlich medizinische Genehmigung für den Kauf von Hormonen, sowie für eine angemessene Hormonkontrolle für trans Frauen zu bekommen, ist sehr schwierig und langwierig.
Auch der Zugang zu Laserbehandlungen ist für uns extrem erschwert. Obwohl es ein simples Thema scheinen zu sein mag, sind Laserbehandlungen für uns enorm wichtig – nicht aus ästhetischen Gründen, sondern um unsere Unsicherheiten und Körperdysphorie zu verringern.
Ich möchte diese Gelegenheit auch nutzen, um ein Thema anzusprechen, über das meistens geschwiegen wird, und ich möchte hier heute eine Stimme dafür sein: die Verfolgung und die Misshandlung durch die Polizei gegenüber Schwarzen und lateinamerikanischen trans Frauen, die als Sexarbeiterinnen arbeiten und dadurch gezwungen werden im Verborgenen zu leben, als wären sie Kriminelle.
Diese Menschen suchen lediglich eine Möglichkeit, zu leben und zu überleben, und erleben oft Misshandlung und Diskriminierung von Seiten der Polizei. Dabei sollten sie eigentlich unterstützt und geschützt werden, da sie extrem vielen Gefahren ausgesetzt sind.
Abschließend möchte ich Gott und euch allen dafür danken, dass ihr diese Veranstaltung möglich gemacht habt, dass wir da sein dürfen, und dass ihr uns bei diesem Kampf, den wir tagtäglich leben, unterstützt. Vielen Dank.
Nikki (sie/ihr)
TW: Keine
Hi,
ich bin vor einem Jahr auf dieser Bühne gestanden.
Ich bin vor einem Jahr auf dieser Bühne gestanden und ich hab gesagt, dass ich mit Angst auf die kommende Nationalratswahl schaue. Diese Wahl liegt inzwischen hinter uns und hat gezeigt: Diese Angst war leider berechtigt.
Mit Walter Rosenkranz ist ein deutschnationaler Burschenschafter Nationalrats-Präsident geworden – im Jahr 2024! Dieser deutschnationale Burschenschafter hat gleich am zweiten Tag seiner Amtszeit dem ungarischen Machthaber Viktor Orbán den roten Teppich in unserem Parlament ausgerollt. Das war ein Schlag ins Gesicht aller Frauen, aller BIPOC* Personen, aller migrantischen Personen, aller Menschen denen Demokratie auch nur im Ansatz etwas bedeutet und nicht zuletzt auch aller queeren* Personen, aller trans* Personen. Und es war nur ein Vorgeschmack dessen, was da auf uns zukommt. Die kommenden Jahre mit einer so starken FPÖ und auch einer nach wie vor starken ÖVP im Nationalrat werden nicht einfach.
Uns bläst ein rauer Wind entgegen und ich sag es ganz ehrlich: Ich bin enttäuscht. Enttäuscht von allen, die uns in diese Lage gebracht haben. Enttäuscht von mehr als der Hälfte der Wähler:innen in Österreich, für die FPÖ und ÖVP noch immer eine Option waren. Enttäuscht von allen, die ihr Wahlrecht nicht genutzt haben, weil sie das Privileg haben, dass Politik nicht beeinflusst, ob sie morgen noch mit allen ihren grundlegenden Menschenrechten aufwachen. Enttäuscht von allen, die eine neutrale Haltung gegenüber Transfeindlichkeit einnehmen. Und ganz besonders enttäuscht von allen queeren* Menschen, die eine neutrale Haltung gegenüber Transfeindlichkeit einnehmen. Gerade jetzt müssen wir als eine vereinte queere* Community zusammenstehen und unsere Rechte verteidigen, damit sie uns nicht eins nach dem anderen genommen werden. Weil etwas muss euch allen bewusst sein: Trans* Menschen bekommen Hass und Hetze vielleicht jetzt gerade als erstes zu spüren, aber wir werden nicht die letzten sein, die von den Rechtsextremen angegriffen werden.
Doch egal wie düster alles gerade ausschaut, es wird immer ein Licht geben: Wir stehen zusammen, so wie wir heute hier zusammenstehen und das werden wir uns von niemandem nehmen lassen. Wir werden für die Erhaltung unserer Rechte kämpfen. Egal ob mit Demos wie dieser heute; mit Gerichtsprozessen wie der Genderklage; damit dass wir für unsere Interessen wählen gehen; oder ganz einfach mit persönlichen Gesprächen mit Bekannten und Verwandten, um sie weg von Hass und Hetze zu holen. Wir alle können etwas tun, um die Gesellschaft Stück für Stück zu verändern. Wir alle werden etwas tun und wir alle, die hier stehen, tun jetzt gerade etwas. Und das gibt mir heute Hoffnung auf ein besseres Morgen.
Danke.
Mo (Dey/deren) Hosi
TW: Mord, Suizid
Hallo, mein Name ist Mo Blau. Ich leite das Transgenderreferat der HOSI Wien und bin selbst nicht-binär. Eine meiner Hauptaufgaben ist es, dabei Informationsquelle nach innen und außen, sowie eine Interessensvertretung für binäre und nicht binäre trans Personen zu sein. Denn die Erfahrungen, die wir trans Personen wohl im Kleinen oder Großen machen, sind garnicht so unähnlich zueinander. Von Mikroaggressionen im Alltag, hin zu Hassrede im öffentlichen Raum, bis hin zu körperlicher Gewalt, die zu oft auch mit dem Tod der Betroffenen endet. Nun sind wir in Österreich verhältnismäßig gut dran, das muss man schon sagen. Die Zahl der Todesopfer aufgrund transfeindlicher Gewalt, ist relativ zu anderen Ländern gesehen recht gering. Trotzdem befinden wir uns an einem Scheideweg. Die Globalisierung der Welt ist nicht mehr aufzuhalten, was großartig sein kann, für gesellschaftlichen Fortschritt, um Gleichgesinnte kennenzulernen, oder eben die Erkenntnis, dass es in Österreich garnicht so schlecht für uns trans Personen ist. Auf der anderen Seite führt eine Globalisierung und scheinbare Beschleunigung der Welt, auch zu einer Beschleunigung der Verbreitung von hasserfüllten Falschinformationen. Wir haben es jetzt im Wahlkampf der USA gesehen: Ungefähr 50 Millionen Dollar an Wahlkampfbudget gingen einzig und allein in dezidierte anti-trans Propaganda. Das wirkt sich nicht nur auf die Wahlergebnisse aus, sondern bleibt in den Köpfen der Menschen hängen. Gewalt gegenüber trans Personen wird dadurch indirekt legitimiert. Wir wissen mittlerweile wohl alle, welche Partei in Österreich die meisten parlamentarischen Sondersitzungen zum Thema Gendern einberuft, wo dann Drag-Kunst, trans Personen, schwule Männer und Geschlechtergerechte Sprache in einen Topf geworfen werden. All das würde Kindern schaden. Da ist es doch nicht verwunderlich, wenn Menschen auch in Österreich sich über uns trans Personen aufregen. Wenn ich selbst Kinder hätte, und ich weiß einige von euch hier haben ja Kinder, dann würde ich sie natürlich auch vor Unheil schützen wollen. Es wird unserer Community vorgeworfen, bewusst Kinder und Jugendliche auf einen falschen Weg zu führen, ihnen psychische Erkrankungen einzureden, obwohl das ohnehin nicht möglich ist. Ich würde mich auch wehren wollen gegen böse bisher unbekannte Mächte, die meinen Kindern schaden wollen, sie vielleicht sogar mit dem natürlich ausgedachten “Woke-Mind-Virus” infizieren.
Ich sage euch heute hier: Der einzige Virus, der sich durch die Verrohung unserer Kommunikation weltweit gerade krankhaft ausbreitet, ist der des Hasses.
Denn was in den offiziellen Todeszahlen Österreichs, von denen es allgemein viel zu wenige gibt, nicht vorkommt, sind die Opfer transfeindlicher Gewalt, die sich selbst das Leben nehmen. In der Aids-Krise hat man oft vom “Sozialen Aids” gesprochen, wenn Menschen aus Angst vor dem Virus lieber im Freitod Erlösung gesucht haben, als auf den scheinbar sicheren Tod ihrer Liebsten oder von sich selbst zu warten. Heute sehen wir, wie die medizinische Versorgung für trans Personen in Österreich auf öffentlichen Druck hin zurückgefahren wird. Entgegen jeglicher medizinischer Erkenntnisse. Jugendlichen werden Behandlungen nun oft völlig verweigert, für Erwachsene steigen die Wartezeiten ins Unerträgliche. Aus Angst sich rechtlich angreifbar zu machen, oder weil auch Mediziner*innen Opfer von Falschinformationen geworden sind.
Ich möchte mir die Dunkelziffer derer die entscheiden ihr Leben ist nicht mehr lebenswert, weil ihnen auf unbestimmte Zeit die medizinische Versorgung versagt wird, nicht ausmalen.
Trotzdem werden wir heute unter den Todesopfern transfeindlicher Gewalt viele Namen aus anderen Ländern als Österreich hören. Denn Transfeindlichkeit ist ein globales Problem, es ist ein intersektionales Problem. Besonders hervorzuheben ist hier das Negativbeispiel und patriarchal geprägte Macho-Paradies Brasilien, wo in den letzten Jahren eigentlich immer die meisten trans Frauen ermordet wurden. Transfeindliche Gewalt ist ein Teil des Patriarchats, ein Teil des Rassismus, ein Teil des Klassismus, deshalb möchte ich mich eines ins Galicische und in die geschlechtsneutrale Form abgewandelten Rufs der Argentinischen Feminismusbewegung bedienen, und euch bitten mit mir für unsere Community zu schreien: NINGUNE MENOS – NINGUNE MENOS – NINGUNE MENOS!!! (Nicht eine Person weniger!)
Pepper (keine) Genderklage
TW: Die Rede thematisiert Gesetze zur Minderheitenverfolgung in der NS Zeit, sowie trans feindliche Gesetze in der 2. Republik.
Hi, ich bin Pepper (kein Pronomen) und ich spreche heute für die Genderklage. Wir klagen das Recht auf geschlechtliche Selbsbestimmung ein. Ich möchte euch heute von unserer Geschichte erzählen.
Der Geschlechtseintrag ist eigentlich eine recht junge Erfindung. Österreich hatte lange Zeit gar kein Personenstandsrecht. Es war die Aufgabe der Kirche festzuhalten, wer geboren, verheiratet oder gestorben ist. 1870 gab es erstmals ein staatliches Register, aber nur für Menschen ohne Religionsbekenntnis. Erst 1938 haben wir dann ein einheitliches, von den Kirchen unabhängiges, Personenstandsrecht bekommen, nämlich das Deutsche, durch den Anschluss. Das wurde dort ein Jahr vorher eingeführt, um die “Sippenforschung” zu erleichtern. In Österreich sah man daran auch nach der NS-Zeit wenig Reformbedarf. Man hat es erst 1983 für notwendig erachtet, das Nazi-Gesetz zu reformieren. Durch diese Reform kam der Geschlechtseintrag ins Personenstandsregister. Erst mit dem EU-Beitritt 1995 kam der Geschlechtseintrag in den Reisepass.
Der Vollzug des Personenstandsrechts obliegt den Standesbeamt*innen. Das war auch schon in der NS-Zeit so. Außerdem waren sie damals mit der “Verordnung zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre” und den Bestimmungen des “Ehegesundheitsgesetzes” betraut. Die Standesämter waren aufgrund der vorhandenen Daten und dem ständigen Kontakt zur Bevölkerung fest in die Minderheitenverfolgung des NS-Regimes eingebunden. Im Zweifelsfall konnten sie sich eines erbbiologischen Sachverständigen bedienen. Heutzutage bedienen sie sich ebenfalls medizinischer Fachgutachten, um Trans- oder Intergeschlechtlichkeit feststellen zu lassen.
Standesbeamt*innen kümmerten sich in der NS-Zeit ebenfalls um den Vollzug des Namensrechts. 1939 wurden namensrechtliche Vorschriften erlassen, um die freie Wahl
jüdischer Vornamen zu erschweren. Dazu wurde eine umfangreiche Liste mit jüdischen Vornamen erstellt. Heute haben die Standesbeamt*innen ebenfalls eine Liste, um zu entscheiden, ob ein Name dem männlichen, weiblichen, beiden oder keinem Geschlecht eindeutig zuzuordnen ist oder überhaupt nicht verwendet werden darf.
Man muss also objektiv feststellen, dass die österreichischen Standesämter im Jahr 2024 im Umgang mit geschlechtlichen Minderheiten ähnliche Methoden zur “Geschlechterforschung” anwenden, wie im Nationalsozialismus zur “Sippenforschung”.
Seit der Einfürhung des Geschlechtseintrags 1983 haben wir aber auch die Möglichkeit rechtlich gegen das juristische Geschlecht vorzugehen.
Wir, die genderqueere Community befinden uns seit 15.281 Tagen, also seit über 41 Jahren im Rechtsstreit mit dem Innenministerium über die Auslegung des
§ 41 PStG. Seither haben es 18 Innenminister*innen (11 Schwarze, 4 Rote, 2 Unabhängige und ein Blauer) nicht für notwendig erachtet, sich auch nur einen Millimeter zu bewegen.
TransX der Verein für Transgender Personen kippte 2006 den Scheidungszwang und 2009 den Operationszwang. Trotz Höchstgerichtsurteilen, lehnte das Standesamt die Personenstandsänderung aber weiter ab. Die Änderung wird erst nach einer Amtsmissbrauchsbeschwerde im März 2010, also knapp 1 Jahr später, durchgeführt.
VIMÖ, der Verein Intergeschlechtlicher Menschen Österreich erstritt 2018 die alternativen Geschlechtseinträge und die erreichte damit die rechtlichen Anerkennung der eigenständigen geschlechtliche Identität von intergeschlechtlichen Personen. Innenminister Kickl ignoriert das Höchstgerichtsurteil. Sein Nachfolger Karl Nehammer ebenfalls. Die Personenstandsänderung wird erst nach einer Amtsmissbrauchsbeschwerde im Juli 2020, also knapp 2 Jahr später, durchgeführt.
Venib, der Verein nicht binär führt aktuell 4 Verfahren zu den Einträgen divers, nicht-binär und kein Eintrag. Alle wurden in erster Instanz positiv entschieden. Sie liegen aber aktuell zur Revision beim Verwaltungsgerichtshof, da sie das Innenministerium bekämpft.
Das Innenministerium hat eine sehr eigene Auffassung der Welt. Es schreibt in seiner Revision: “Beim Geschlecht handelt es sich um eine rechtliche Zuordnung, die rein objektiv betrachtet nichts mit der psychischen oder physischen Geschlechtsidentität zu tun hat”. Soll heißen, dein Geschlecht wird dir von einer Standesbeamt*in von Gottes Gnaden mitgeteilt und du hast glücklich und ruhig zu sein.
Unser Kampf geht also weiter und er wird nicht leichter. In seinem Österreichplan hat ex- und wahrscheinlich bald neo-Bundeskanzler Nehammer seine menschenrechtsverachtenden Hassfantasien zu Papier gebracht und fordert unter anderem eine rechtliche Konkretisierung der Geschlechter. Also genau das Gegenteil dessen, was der Verfassungsgerichtshof 2018 erkannt hat. Genau das, was ihm schon einmal eine Strafanzeige bei der Wirschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Amtsmissbrauchs eingebracht hat.
Der Personenstand ist aber nicht das einzige Rechtsgebiet, auf dem wir kämpfen. Wir haben Erkenntnisse aus dem Gleichbehandlungsrecht, dass bei der Anrede und bei der Angabe des Geschlechts die Geschlechtsidentität ausschlaggebend ist, nicht der amtliche Geschlechtseintrag. Wir werden bald weiter Erkenntnisse zum Zugang zu geschlechtsspezifischen Räume haben. Und wir arbeiten auch daran, diese Rechtsauffassung im Datenschutzrecht durchzusetzen.
Wir kämpfen nicht nur für den selbstbestimmten amtlichen Geschlechtseintrags, wir bekämpfen auch die Relevanz des amtlichen Geschlechtseintrags an und für sich. Wir nehmen das Innenministerium sehr ernst, wenn es rechtliche Zuordnungen ohne Bezug zur Realität durchführen will. Wenn wir fertig sind, wird der amtliche Geschlechtseintrag selbstbestimmt sein. Und der amtliche Geschlechtseintrag wird irrelevant sein. Wir kämpfen für geschlechtliche Selbsbestimmung: Self-Id. Self-Id überall.
Abschließen möchte ich mit einem Auszug aus dem Strafgesetzbuch und einem buddhistischen Glaubensgrundsatz:
§ 188 StGB Wer öffentlich eine Glaubenslehre, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Religionsgesellschaft bildet, unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
Der Buddhismus steht dafür, dass Menschen aufgrund ihrer eigenen Wahrnehmung selbst erkennen und sagen, welches Geschlecht sie haben.
Vielleicht bringt das Nehammer & Co neben Amtsmissbrauch auch noch eine Strafanzeige wegen Herabwürdigung religiöser Lehren ein. Wenn du Jenga spielst, kannst du nur gewinnen, wenn nur darauf aus bist, dass der Turm einstürzt.
Gönül Havzali (sie/ihr) Queerbase
TW: Familiengewalt, sexuelle Ausbeutung, Pädophilie, Mordversuch, körperliche Gewalt
Liebe Queers
Mein Name ist Gönül, ich bin vor einem Jahr nach einer schwierigen Reise nach Österreich gekommen und ich freue mich sehr, heute bei Ihnen zu sein.
Heute, am Transgender-Gedenktag, stehe ich hier nicht nur, um jene zu ehren, die wir verloren haben, sondern auch, um zu sagen, dass wir selbst in den dunkelsten Zeiten die Hoffnung für die Zukunft bewahren und etwas unternehmen müssen.
Mein Weg war nicht einfach und ist immer noch nicht abgeschlossen. Im Alter von 11 Jahren wurde ich von meiner Familie ans Bett gefesselt. Obwohl ich zwei Jahre lang zu Hause eingesperrt war, behielt ich meine Hoffnung und eines Abends im Alter von 13 Jahren fand ich eine Gelegenheit und lief von zu Hause weg. Ich reiste mit dem Zug von einer Stadt zur anderen und kam schließlich nach Istanbul. Auf den Straßen Istanbuls, wo ich als Waisenkind umherirrte, versuchte eine Person, die sich mir mit dem Versprechen näherte, mir zu helfen, mich zu zwingen, wieder in Ketten zu leben. An dem Ort, an den er mich brachte, wurde ich zur Sexarbeit gezwungen, bis ich 16 war. Als ich 16 war, zerbrach ich diese Ketten und floh von dort. Wer könnte sich schon gegen meine Freiheit stellen!
Doch einige Zeit nach meiner Flucht verfolgten mich meine Brüder und mein Vater, die mich mit den Ketten nicht kontrollieren konnten, und schickten meinen jüngsten Bruder, um mich zu töten. Ich wurde von meinem eigenen Bruder mit einer Pistole erschossen. Das waren die ersten 7 Kugeln, die auf mich abgefeuert wurden… Dann folgten weitere Kugeln, Messerstiche, Tritte und das Schmerzhafteste waren meine Transfreunde, die vor meinen Augen getötet wurden. Jahrelang kämpfte ich in jedem Moment gegen die Transphobie um mein Leben.
Aber ich bin immer noch hier, ich bin eine trans Person, ich bin hoffnungsvoll und stark. Jede Narbe, die ich trage, erinnert mich an mein Recht zu leben, respektiert zu werden und an meine Freunde, die ich aufgrund von Transphobie verloren habe.
Ich weiß, dass es andere wie mich gibt, die ähnliche Kämpfe haben. Denen, die noch kämpfen, sage ich: Gebt nicht auf! Ihr seid stärker, als ihr denkt, und euer Leben ist unermesslich wertvoll.
Der heutige Tag ist nicht nur ein Tag der Trauer, er ist auch ein Aufruf zum Handeln. Es ist ein Aufruf an uns alle, für eine Welt zu kämpfen, in der niemand Angst hat, so zu sein, wie er ist. Wir brauchen Ihre Stimmen, Ihre Aktionen und Ihren Mut. Gemeinsam können wir diese Welt sicher und gerecht machen. Setzen Sie den Kampf fort; wir waren, wir sind und wir werden sein!
Vio:la (sie/ihr, per/pers), Lara (sie/ihr) Trans Femme Fatale mit Pride Südtirol
TW: Transfeindlichkeit, Mord, Diskriminierung, Polizeigewalt, Familiengewalt, Faschismus
Ich heiße Lara, bin von Trans Femme Fatale, einem Verein für transfeminine und nichtbinäre Menschen. Komme aus Südtirol, Italien und arbeite eng mit Pride Südtirol zusammen. Wir sind heute auch hier, um über die Realität zu sprechen, mit der viele Menschen in Europa – besonders in Italien – konfrontiert sind. In Zeiten wie diesen sind internationale Solidarität und Verbindungen entscheidend im Kampf für Gleichberechtigung.
Heute ist der Transgender Day of Remembrance, ein Gedenktag der LGBTQIA*-Gemeinschaft, um an die trans Personen zu erinnern, die Ziel von Transizid, Gewalt, Vorurteilen und Stereotypisierung geworden sind. In diesem Jahr wurden 405 Menschen durch Transphobie getötet. Ein Blick auf die Zahlen zeigt klar: Transphobie trifft vor allem trans Frauen, insbesondere BIPoC. Die meisten Opfer sind zwischen 19 und 25 Jahren alt. Italien steht in Europa an erster Stelle in Bezug auf die Zahl der Morde an trans Personen.
Trans Personen haben in Italien bereits lange eine schwierige Geschichte hinter sich – eine Geschichte, die bis in die Zeit des italienischen Faschismus zurückreicht. Damals wurden trans Personen und alle, die von der Norm abwichen, systematisch ausgegrenzt und kriminalisiert. Die Regierung unter Giorgia Meloni hat nun eine Politik der Unsichtbarmachung und Marginalisierung von trans Menschen eingeführt. Statt queere Menschen zu unterstützen und zu schützen, verfolgt sie eine Politik, die auf konservativen Werten der weißen, heteronormativen Familie setzt und verwehrt ihnen das Recht auf Familiengründung. Beim letzten G7-Gipfel setzte sich Italien zudem vehement dafür ein, alle Verweise auf den Schutz von Geschlecht und sexueller Orientierung aus der Abschlussdeklaration zu streichen, was für queere Menschen in ganz Europa ein Rückschlag ist.
Ein besonders trauriges Beispiel betrifft die Rechte von trans Eltern und queerer Paare. Die Regierung ergriff Maßnahmen, um die Anerkennung ihrer Kinder zu verhindern, als wären Liebe und Fürsorge in diesen Familienformen weniger wert.
Der jüngste Brief von 259 Eltern trans Jugendlicher in Italien, unterstützt von Organisationen wie Arcigay und Agedo, ist ein Aufschrei gegen diese Ungerechtigkeit. Sie sprechen sich gegen die politische Instrumentalisierung ihrer Kinder aus und bitten um Hilfe, um die Verfolgung derjenigen zu beenden, die ohnehin in einer schwierigen und verletzlichen Lage sind.
Angriffe auf das Krankenhaus in Careggi, eine Klinik bei Florenz, die trans Menschen bei ihrer Transition unterstützt, zeigen die Zielrichtung der Regierung. Sie greift Institutionen an, die Verständnis und Unterstützung bieten, und signalisiert trans Menschen, dass ihr Streben nach Selbstbestimmung hier nicht erwünscht ist. Das ist eine klare Botschaft – nicht nur an trans Menschen, sondern auch an Ärzt*innen, Therapeut*innen und alle, die sich für ihre Mitmenschen einsetzen.
Und während die rechtliche Unterstützung fehlt, nimmt die Gewalt zu. Wir denken an die Menschen, die verletzt oder ermordet wurden, nur weil sie sie selbst sein wollten und mussten. In Acerra wurde ein trans Mann angegriffen und seine Verlobte von ihrem eigenen Bruder ermordet, weil sie sein „Gesicht“ wahren wollte. In Mailand wurde eine trans Frau brutal von der Polizei angegriffen.
Nur durch Anerkennung und Stärkung der Rechte für alle trans Menschen – ob in Italien, Österreichoder anderen Ländern – können wir die Geschichte von Diskriminierung, Gewalt und Unsichtbarkeit überwinden und verhindern, dass Menschen erneut dasselbe Schicksal ereilt.
Panda (er/ihm) Trans and Nonbinary Youth Vienna
TW: Keine
Hallo alle zusammen,
Heute ist, wie ihr wisst, ja ein Tag des Gedenkens, des Trauerns. Vor allem mit den derzeitigen politischen Entwicklungen scheint es auch nicht besser zu werden. Jetzt haben wir Angst. Genau jetzt brauchen wir einander. Deshalb möchte ich euch meinen Lichtblick mitgeben und von den positiven Sachen berichten, die ich als Betreuer und Mitorganisator von TNYV mitbekommen habe seit dem Anfang des Projektes.
Durch TNVY habe ich sehr viel dazugelernt. Ich freue mich immer zu sehen, wenn neue Leute kommen. Umso mehr freue ich mich, wenn Personen wiederkommen, uns zeigen, dass der Raum, den wir geschaffen haben, einer ist, wo sie sich wohlfühlen, nochmals herzukommen. Wir haben sicherlich unsere Regulars.
Was ich auch ganz besonders finde, ist wenn Menschen kommen die sich nicht sicher sind, wie sie sich fühlen und den Raum nutzen, um sich auszuprobieren. Wir hatten öfters schon Personen, die dies gemacht haben. Uns ist es wichtig, dass alle, die gerade auf der Suche sind, respektiert werden. Es tut auch wahnsinnig gut sich in einem Raum zu befinden wo man gesehen wird als Mensch, abgesehen von wie man aussieht oder sich verhält.
Was ich vor kurzem erfahren habe, was ich total schön finde ist, dass sich durch unsere Gruppe neue Freundschaften gebildet haben. Die Gruppe ist ja nicht nur ein Safe Space für trans und nicht binäre Personen, sondern auch ein soziales Event, wo es unser Ziel ist, Menschen zu connecten mit anderen, die ähnliche Lebensphasen durchleben. Wir müssen uns in diesen kommenden schwierigen Zeiten zur Seite stehen und uns gegenseitig unterstützen. TNYV versucht genau das zu bieten. Es hat sich mittlerweile nach so vielen Monaten schon eine richtig entspannte und nette Gruppendynamik ergeben. Wir sind aber immer offen für neue Leute, die sich uns anschließen wollen.
Als trans und nicht binäre Jugendgruppe stoßen wir natürlich auch oft auf Thematiken, die sich auf die Transition beziehen. Da alle in derselben Altersgruppe sind, ist es möglich, sich gegenseitig zu unterstützen und altersgerecht auszutauschen. Als junge Person kann es auch schwierig sein gleichaltrige zu finden die auch trans oder nicht binär sind, da in existierenden Räumen oft ältere Personen sind. Ich habe mitbekommen das sich viele Leute sehr wohl gefühlt haben über ihre Erfahrungen zu erzählen und ein sehr angenehmer, informativer Austausch möglich war.
Zusammenfassend kann man sagen, das TNYV als Projekt über die Zeit wundervoll aufgeblüht ist.
Was wir jetzt brauchen, ist einander. TNYV ist mein Lichtblick.